Vorwort Das Reisen ins Heilige Land, die Wallfahrt zu den Stätten der Bibel, die wissenschaftliche Beschäftigung mit den biblischen Ländern und die Biblische Archäologie erfreuen sich gegenwärtig großen Interesses und lebhafter Nachfrage. Die Motive sind so unterschiedlich wie die Menschen, die sich daran beteiligen. Allen gemeinsam aber ist die Überzeugung, daß man geistigen und geistlichen Gewinn, Förderung und Nutzen daraus ziehen könne. Gespräche mit Menschen verschiedener Herkunft und unterschiedlicher Berufe ergeben immer wieder dasselbe: Es ist lohnend, nach Israel und Jordanien, nach Ägypten, Syrien, Libanon und in den Irak zu reisen. Es ist lohnend, weil Reisen überhaupt lohnend ist und weil wir durch Religion, Geschichte und Erziehung ein besonderes Verhältnis zu den Ländern der biblischen Überlieferung haben. Wir sind aber keineswegs die ersten. Die Wallfahrt ins Heilige Land und in die umliegenden Länder ist fast so alt wie die Christenheit. Seit dem 4. Jahrhundert, der Epoche des römischen Kaisers Konstantin, fließt ein starker Strom christlicher Pilger aus allen Regionen des Erdkreises nach Palästina. Manche dieser alten Pilger haben Berichte hinterlassen, in denen sie schlicht oder gekonnt, einfach oder gelehrt, trocken oder lebendig erzählen, was sie gesehen und erlebt haben. Der moderne Reisende, der sich ein Bild von Gestalt und Geschichte der Länder und ihrer heiligen Stätten machen will, sollte auf das nicht verzichten, was seine Vorgänger im Altertum zu Papyrus oder Pergament gebracht haben. Ich habe in diesem Buche die Pilgerberichte des christlichen Altertums vom 4. bis zum 7. Jahrhundert gesammelt, aus dem Lateinischen übersetzt, eingeleitet und in Anmerkungen ausführlich erläutert. Man kann die Berichte einfach lesen, zu Hause oder vor Ort, ohne sich dabei von den Anmerkungen stören zu lassen. Die Anmerkungen enthalten das wissenschaftliche Material und den gelehrten Kommentar. Man muß sie nicht kursorisch lesen, man kann sich von ihnen nach Bedarf informieren lassen. Damit das erleichtert werde, habe ich Wiederholungen und Querverweise nicht gescheut. Ein deutliches und klärendes Wort ist über die Behandlung der modernen Orts- und Geländenamen zu sagen, weil aus der Art, wie das geschieht, immer wieder Mißverständnisse und Verstimmungen erwachsen. Antike biblische und außerbiblische Orte und Gelandeformationen müssen, soweit irgend möglich identifiziert werden Für den Bereich der arabischen Länder des Nahen Ostens entsteht dabei kein Problem. Man sagt einfach: Das alte Gerasa heißt heute Ğerš, Byblos an der libanesischen Küste trägt den Namen Ğbēl und die römische Provinzhauptstadt Bostra im Haurangebirge ist Boşra eski Šām. An diesen drei Beispielen kann man lernen daß der alte Name in arabischer Gestalt die Zeiten überdauert hat; der moderne arabische Name ist mithin eines unter mehreren Argumenten für die Richtigkeit der Identifikation. Das muß nicht so sein, aber es ist oft so und nötigt den Wissenschaftler zur Konsequenz. Im Falle des Staates Israel jedoch hat man die Wahl zwischen den modernen israelischen und den arabischen Namen; die letzteren sind z. T. noch im Gebrauch, z. T. jedenfalls bis 1948 in Gebrauch gewesen. Ich habe mich dafür entschieden, ausschließlich die arabischen Namen zu benutzen, und zwar selbstverständlich nicht aus politischen oder religiösen Gründen, sondern wegen ihrer wissenschaftlichen Brauchbarkeit. Die arabischen Namen haben Tradition die israelischen sind meist erst im 20. Jahrhundert gegeben und oft nicht mehr als Wiederbelebungen der biblischen oder a jüdischen Namen. Die Anmerkungen bilden einen wisenschaftlichen Apparat, in dem keine anderen als wissenschaftliche Grunde Geltung haben können. - Zur Wiedergabe der arabischen Namen ist das Umschriftsystem der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft und des Deutschen Vereins zur Erforschung Palästinas verwendet. Mein Assistent, Herr Ernst A. Knauf, hat das Manuskript gründlich durchgesehen und zahlreiche wertvolle Bemerkungen zur Sache gemacht. Er hat sich auch der Mühe des Korrekturlesens unterzogen und die Kartenskizzen gezeichnet. Ich sage ihm an dieser Stelle besten Dank. Tübingen, Oktober 1979 Herbert Donner Vorwort zur zweiten Auflage Seit der 1. Auflage dieses Buches sind 23 Jahre vergangen, schon mindestens 15 Jahre ist es - wenn überhaupt - nur noch antiquarisch zu bekommen. Wer sagt "dann wird es aber höchste Zeit!", ist zwar freundlich, weiß aber nicht so recht, wovon er spricht. Denn die nach so langer Zeit eigentlich nötige gründliche Bearbeitung ist keinem Autor, schon gar nicht einem alten, zuzumuten. Es kommt hinzu, daß mir die Notizen, die ich seit 1979 gesammelt hatte, in Umzugswirren abhandengekommen sind. Mein Kummer hielt sich in Grenzen, hatte ich doch die Hoffnung auf eine Zweitauflage längst aufgegeben. Aber da geschah ein Wunder! Nun gibt es doch eine zweite Auflage. Für sie muß ich die Leser und Benutzer um etwas Nachsicht bitten. Ich habe den Text der ersten Auflage nahezu unverändert gelassen: bei den Übersetzungen ohnehin, in den Anmerkungen weitgehend. Einige Druckfehler sind beseitigt worden. Sodann richtete sich die Aufmerksamkeit auf zweierlei: auf neue Einsichten - nicht Meinungen - in Zusammenhänge und Einzellokalisationen und auf die Ergänzung durch inzwischen erschienene Literatur, soweit ich ihrer habhaft werden konnte. Vor allem das zweite dürfte nicht immer gelungen sein. Ich habe das Buch trotz seines Gewichtes im Reisegepäck interessierter Studienreisender angetroffen, auch als Nachschlagewerk in der Bibliothek von Kollegen, sogar auf der Ablage in jordanischen und israelischen Reisebussen zur Information der örtlichen Reiseführer. Möge es alle diese Zwecke auch künftig erfüllen! Die Widmung ehrt einen Gelehrten, dem die Palästinawissenschaft viel verdankt und mit dem ich seit 40 Jahren verbunden bin. Kiel, im September 2002 Herbert Donner