BilderStreit Würzburger Theologie3 978-3-429-02889-3 Vorwort In je unterschiedlicher Intensität haben sich Theologie und Kirche in allen Jahrhunderten mit der Bedeutung der Bilder beschäftigt. Eine Theologie auf Augenhöhe mit den Problemen des 21. Jahrhunderts kann und darf daher dieser Frage nicht aus dem Weg gehen. Zwei Herausforderungen stellen sich dabei ganz besonders: Zum einen die Ubiquität der Bilder. Immer und überall sind wir von Bildern umgeben, mit Bildern konfrontiert. Sind wir überhaupt noch wahrnehmungsfähig angesichts der Bilderflut oder vielmehr blind? Elias Canetti hat eine solche Blindheit schon angesichts der Erfindung der Kamera konstatiert: Man hat eine Kamera, die man überall benutzt und es ist eine Lust, die Augen geschlossen zu halten. Kunst hat für ihn die Aufgabe, diese Blindheit als Verblendung aufzudecken, Kunst soll sehend machen. Häufig werden Bilder zu didaktischen Zwecken instrumentalisiert - gerade im kirchlichen Kontext. Auch diese Umgangsform hat Canetti aufgespießt mit der Beschreibung des Kopisten vor dem Isenheimer Altar. Sein Finger zeigt nicht wie der Finger des Johannes, sondern er bewegt sich nur und er führt aus. Er betrachtet dabei das Bild so, dass es ihn nicht verändert. Würde es ihn wirklich berühren, könnte er die Kopie nicht zustande bringen. Würden uns die Bilder wirklich berühren, könnten wir sie nicht einfach seriell herstellen oder hinstellen, auch nicht in Kirchenräumen.Der vorliegende Band setzt sich angesichts dieser formulierten Herausforderungen intensiv mit der Bilderfrage auseinander. Bischof Friedhelm Hofmann stellt in seinem Beitrag "Recht auf Kultur - Pflicht zur Kultur" die Bedeutung von Kunst und Kultur als Ort für die Auseinandersetzung mit Gott und mit menschlichen Grundfragen heraus. Kunst und Kultur sind nicht als ornamentale Beiwerke zu verstehen, sondern als fruchtbare Provokationen. Die Kreuzwegdarstellung von Waldemar Kolmsperger, aus der ein Ausschnitt auf dem Buchcover zu finden ist, erschließt Stefan Weigand. Die Szene der Begegnung Jesu mit Veronika speist sich aus apokryphen Quellen und legendarischen Ausformungen; die Thematik des Bildes geht aber weit darüber hinaus: die Rolle und die Erwartungshaltung des Betrachters werden eindrücklich durch das abgebildete Figurenensemble reflektiert. Theodor Seidl verdeutlicht hinsichtlich des alttestamentlichen Bilderverbots, dass nicht nur Untergottheiten oder importierte Gottheiten in Israel dargestellt und verehrt wurden, sondern auch der höchste Gott. Das erste Dekaloggebot stellt kein generelles Bilderverbot dar, sondern ist enger Bestandteil des Verbotes von Fremdgottheiten. Der Beitrag von Franz Dünzl geht der Frage nach, warum die Christenheit des l. Jahrtausends bildhafte Darstellungen des Erlösers und der Heiligen zunächst strikt ablehnte, solche Bilder später aber vereinzelt, dann verbreitet auf Akzeptanz stießen, bis sich die Kirche offiziell auf die kultische Verehrung (proskynesis) der Bilder verpflichtete. Wolfgang Weiß zeichnet die Geschichte der Verwendung von Bild und Plastik in der westlichen Kirche des Mittelalters nach. Nachdem die Diskussion zunächst vor allem um die Frage kreiste, ob sich in der Bilderverehrung nicht doch ein abergläubisches Verständnis manifestiere, setzte sich - ausgehend von der didaktischen Bedeutung der Bilder für das nicht lesekundige Volk - letztlich ein zuvor nie gekannter und durch eine ausgesprochen offene Haltung des Lehramts ermöglichter Bilderreichtum durch. Die historischen Grundlinien des Bildersturms in der Reformationszeit sind Gegenstand der Ausführungen von Dominik Burkard. Er stellt die Frage, ob der Bilderstreit des 16. Jahrhunderts ein Thema von temporärer Bedeutung war oder die Ausprägung der Konfessionen bis heute wesentlich mitbestimmt. Stephan Ernst problematisiert die stereotype Rede vom christlichen Menschenbild. Er geht der Frage nach, inwieweit und in welcher Form sich aus dem sog. christlichen Menschenbild ethische Handlungsoptionen ableiten lassen und bezieht in den Diskurs auch die Bedeutung humanwissenschaftlicher Erkenntnisse mit ein. Die Verwendung der Bilder im Kirchenrecht untersucht Heribert Hallermann in seinem Beitrag. Tür, Quelle, Gipfel, Bund: das Kirchenrecht selbst ist auf Bilder angewiesen, um bestimmte theologische und rechtliche Sachverhalte umschreiben zu können. Die rechtliche Normierung der Verwendung und der Verehrung von Bildern sowie die geltende kirchliche Rechtsordnung zum Schutz der Autonomie von Kunst ist weiterer Inhalt der Ausführungen. Die orthodoxe Kirche feiert alljährlich den "Sonntag der Heiligen Bilder" und blickt auf eine ausgeprägte Bilderfrömmigkeit. Eine explizite Zurschaustellung und Verehrung der Bilder in der Liturgie findet sich in der westlichen Kirche nicht - dennoch zeigt Guido Fuchs, dass von einer Leere oder gar Bildvergessenheit nicht die Rede sein kann. Die Verehrung von "Gnadenbildern", das Mittragen von Bildern bei Prozessionen, bildliche bzw. plastische Darstellungen wie Krippe oder Exsultet-Rollen sind nur einige Aspekte, an denen die unterschiedliche Rolle der Bilder deutlich wird. Bilder sind nie unschuldig, sie stehen immer in einem Kontext. Insbesondere bei der Gestaltung von Kirchenräumen und der Auswahl von Bildern ist somit große Behutsamkeit gefragt. Schriftenstand, Pinwand und Fasten bzw. Hungertuch: Es sind die eher vernachlässigten oder gar vergessenen Bilder im Kirchenraum, auf die Erich Garhammer in einem ersten Schritt den Blick lenkt. Weiter werden mit Kunstinstallationen, Kirchenneubauten und der Pax-Christi-Gemeinde in Krefeld zahlreiche Beispiele aufgezeigt, aus denen sich ein fruchtbarer Dialog von Kunst und Kirche entfaltet hat. Mit einer Bestandsaufnahme der in Schulbüchern verwendeten (Gottes-) Bilder eröffnet Claudia Gärtner ihr Plädoyer für einen neuen Bilderstreit im Religionsunterricht. Ein "Bilderstreit" bleibt im Religionsunterricht häufig aus. Angesichts der unpersonalen bzw. abstrakten Gottesbilder der Jugendlichen könnten neue figurative Malerei und gegenständliche Kunst Anknüpfungspunkte für den Umgang mit religiösen und existentiellen Fragestellungen darstellen. An Kunstwerken von Arnulf Rainer und Marc Wallinger verdeutlicht Claudia Gärtner den Einsatz von Bildern im religionspädagogischen Kontext. Thomas Schauerte liefert eine geradezu kriminalistische These zur Caravaggio-Forschung. Die unterschiedlichen Darstellungen des heiligen Matthäus sind nicht aufgrund eines Skandals, was man bei Caravaggio schnell vermutet, zu erklären, sondern haben verschiedene Bestimmungen: das eine sei als Altarbild entstanden, das andere dagegen für die Hängung in den Privaträumen eines hochgebildeten Sammlers. Wolfgang Riedel untersucht das Bilderverbot am Beispiel des Romans von Max Frisch "Stiller". Julia wirft Stiller vor: "Du hast dir nun einmal ein Bildnis von mir gemacht... Jedes Bildnis ist eine Sünde. Es ist genau das Gegenteil von Liebe." Frisch führt damit weniger einen Disput mit dem Bilderverbot des Alten Testaments als mit seinem Lehrmeister Bert Brecht. Jürgen Lenssen stellt die vielseitige Museumslandschaft im Bistum Würzburg vor. Er greift das "Museum am Dom" heraus. Die Werke stehen dabei nicht nur im Dialog bzw. in Korrespondenz mit ihrem architektonischen Kontext, sondern treten in einer epochenübergreifenden Gegenüberstellung miteinander in Beziehung. Gerhard Droesser geht sein Thema "Wahrnehmungskunst und Kunstwahrnehmung" vom Beispielsbereich der Literatur her an. Für ihn ist die Frage leitend, welche ethische Wirksamkeit Lektüren entfalten und welche Bilder im Kopf und im Herzen sie generieren können. Mit diesem Band, der die Ringvorlesung der Katholisch-Theologischen Fakultät vom Wintersemester 2005/2007 - erweitert um einige Beiträge - der Öffentlichkeit vorlegt, wollen wir eine Theologie auf Augenhöhe präsentieren, eine Theologie, die sich den Fragen der Ästhetik stellt. Ich möchte allen Autoren für ihr Mitwirken danken. Besonderer Dank gilt meinen Mitarbeitern am Lehrstuhl der Pastoraltheologie, Stefan Weigand und Bernhard Spielberg für das Engagement bei der Redigierung des Bandes sowie dem Echter Verlag für die gute Zusammenarbeit. Würzburg im Juni 2007 Erich Garhammer